Das "orangene Buch" ist in meinem Freundeskreis der Name für ein recht neues Buch, das letzten Herbst das Licht der Welt erblickt hat:
Überrascht von Furchtvon Natha, YouTube-Missionar (Crosstalk/Crosspaint) und christlicher "Influencer"
Die zentrale These des Buches ist, dass alle Probleme in der (westlichen) Christenheit auf ein Grundproblem zurückzuführen sind: mangelnde Gottesfurcht. In dem Buch untersucht Natha, was das Problem ist, was genau Gottesfurcht ist und wie wir die Gottesfurcht leben können.
Das Buch ist durchaus kontrovers - oder eher polarisierend. Viele sind begeistert, entbrennen zu neuem Feuer im Glauben, werden von Süchten frei etc.
Andere meinen, das Buch sei theologisch fragwürdig bis hin zu irreführend, warnen vor Irrlehren, Natha lehre die Verlierbarkeit des Heils oder zumindestens die Unverlierbarkeit des Heils nicht deutlich genug, beziehe sich nicht deutlich genug auf die Vorentrückung, mache Christen über ihre Errettung unsicher.
Ich werde hier nur kurz darlegen, wie ich dieses Buch einschätze. Meiner Meinung nach sieht man, wenn man sich mit den Anschuldigungen auseinadersetzt, recht schnell, daß die meisten davon weniger über das Buch als über die theologische Ausrichtung seiner Kritiker aussagen. Hätte Natha deutlich über Vorentrückung und Unverlierbarkeit des Heils geredet, hätten sich die Nachentrücker und Arminianer kritisch gemeldet. So wie es jetzt in dem Buch gefasst ist, sind beide Streitpunkte, die beide zur Argumentation des Buches irrelevant sind, geschickt umgangen. Dadurch wird niemand in seiner vorgefassten Meinung bestärkt, aber das war auch nie das Ziel des Buches. Es geht um Gottesfurcht, nicht um Endzeitauslegung und auch nicht um die Calvinismusfrage.
Dazu, dass das Buch Christen unsicher werden lässt betreffs ihrer Errettung, gibt es nur eines zu sagen: Das ist ein ausdrückliches Ziel des Buches: die eingeschlafene Christenheit aufzuwecken. Und hier höre ich ein Echo von Jakobus 2,17:
So steht es auch mit dem Glauben: hat er keine Werke (aufzuweisen), so ist er an sich selbst tot.
Es gibt viele Christen (v.a. in der westlichen Welt), die sich auf ihrer Errettung ausruhen, weil man ihnen beigebracht hat, dass wenn sie sich ja einmal "bekehrt" haben, ihnen nichts mehr passieren kann. Jakobus aber sagt uns, dass ein lebendiger Glaube auch Werke sehen will. Johannes sagt uns, dass ein wiedergeborener Christ nicht mehr in kontinuierlicher Sünde lebt (1. Johannes 3,6.9). Viele Christen müssen aufwachen und merken, dass ihr geistliches Leben bestenfalls nicht in Ordnung, schlimmstenfalls nicht existent ist. Dazu benutzt Natha manchmal harte Sprache, aber das halte ich angesichts der Situation für gerechtfertigt.
Allerdings gibt es auch Kritik, die ich eher für legitim halte. Einmal, die vor allem im letzten Teil prominente Werbung für die eigenen "Produkte" - Crosspaint, Crosstalk und ihre Bibelauslegung. Ich kann meinen Finger nicht darauf legen, an sich ist ja nichts unbedingt falsch daran, auf sich selbst zu verweisen um weitere Orientierung zu bieten, und die Inhalte von Crosspaint sind, soweit ich sie gesehen habe, echt gut. Andererseits stößt es mir immer negativ auf, wenn ein Christ so viel von sich selbst redet. Crosspaint hat ein unglaubliches Potential zum Guten, aber eben auch zum Schlechten. Ich sehe die Gefahr, dass sich "Internetchristen" entwickeln könnten - Menschen, denen keine Ortsgemeinde geistlich genug ist und die versuchen, sich nur aus dem Internet zu ernähren. Das darf nicht passieren, aber das könnte dieses Buch mit seiner Kritik an eingefrorenen Gemeinden und furchtlosen Kirchen begünstigen.
Ein weiterer sehr legitimer Kritikpunkt ist die Produktion des Buches: Es wird von Amazon in einer polnischen Druckerei gedruckt und hat eine grottenschlechte Qualität bei einem Preis, der dafür viel zu hoch ist (7,23€). Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich noch nie ein so niedrigqualitatives Buch in der Hand hatte. Das hätte über andere Verläge (e.g. CLV) besser und vermutlich auch günstiger geschehen können.
Kleine persönliche Note: Wir haben das Buch mit ca. 10 jungen Brüdern aus der (Orts-)Gemeinde und Jugendgruppe gelesen. Ich hatte es vorher einmal im Schnelldurchgang gelesen, weil es mich nicht losgelassen hatte, als ich einmal angefangen hatte. Bei diesem ersten Durchgang hat es einen starken Eindruck auf mich gemacht, und das war bei einigen anderen auch so, aber als wir es über Wochen auseinandergezogen Kapitel für Kapitel durchgenommen haben, war der Eindruck doch deutlich schwächer. Wir haben es dann so formuliert: Wenn man es schnell liest, erfasst man die Idee und lässt sich treffen, aber wenn man es so lange liest, merkt man nur, dass es eben doch nicht die Bibel ist.
Allgemein würde ich das Buch auf jeden Fall empfehlen, eben immer mit dem Vorbehalt, dass unsere letzte Autorität aber nicht Natha, sondern Gott ist.
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